Le Real Wirtschaft
Es wird nun behauptet, die Krise greife jetzt auf die Realwirtschaft über. Das ist nicht ganz richtig; man könnte auch sagen, sie kommt aus der Realwirtschaft: Es gibt in Zukunft weniger Öl.
Wir produzieren zu viel und das Falsche. So wie zu viel Geld produziert und in immer größeren Containern um die Welt geschippert wurde, so geschah es auch mit Ware.
Autos, die nicht mehr gebraucht werden. Und zwar weltweit. Die Menschen haben schneller als ihre Regierungen begriffen, daß es wenig Sinn macht, Autos zu kaufen, die man in Zukunft nicht mehr fahren kann. Mehr noch: Instinktiv haben sie verstanden, daß ein Großteil des Autofahrens nur zum Wohle des Autos geschieht, und um in der Autobau- und Zulieferer- Industrie zu arbeiten; und daß es da einen break-even-point gibt - und zwar nach unten, an dem die Kosten des Autos den Nutzen übersteigen.
Wie Paoli sagt: ein Teil der Arbeit wird zu nichts anderem verwandt, als um mehr Arbeit zu ermöglichen; oder in diesem Kontext: ein Teil des Öles wird verbrannt, um mehr Öl verbrennen zu können. Das ist nicht neu: schon im steinzeitlichen Alaska wurde, einer Untersuchung zufolge, ein Großteil der geschossenen Rentiere oder Elche an die Schlittenhunde verfüttert, um eben diese jagen zu können; jedenfalls sobald die Leute weit reichende Gewehre in die Finger bekamen (von diesen verantwortlich gemacht für den plötzlichen Rückgang des Bestandes wurde natürlich der böse Wolf, der eigentlich die Prärie-Nager mit ihrem Krankheitspotential kurzhielt, wie diese Studie ebenfalls ergab).
Vielleicht brauchen die Menschen, zumindest hier, keine neuen Autos mehr; sie können sie eh nicht mehr betreiben. Und WO sie herumstehen, ist letztendlich egal. Hat jemand schon die Halden in Afghanistan gesehen? Es ist auch egal, ob das Geld zur Produktion, Lagerung und Zerstörung von Autos den Leuten direkt oder indirekt aus der Tasche gezogen wird. Es kommt auf die Notwendigkeiten der Bilanz an. Das gleiche gilt, mutatis mutandis, für ihre Immobilien.
Erstgeborenenrecht und Linsengericht
Die Dinge haben einen Bremsweg, Vor- und Nachlaufzeiten. Diese sind manchmal recht lang, über eine Generation. Und sie geraten dann in Vergessenheit, wenn sie nicht tradiert, oder wenn sie falsch tradiert werden. Woraufhin natürlich die selben Fehler zwangsläufig noch einmal gemacht werden. Und bei Wesen, die, wie Menschen, lange leben, ist auch eine Generation eine lang Zeit... und die Zeit der wiederholten Fehler ebenso lang. Fehler kann man nicht einfach so beseitigen. Ein abgeholzter Wald, der fehlt, wird auch durch die Erkenntnis des Fehlens nicht am nächsten Tag wieder vorhanden sein; sondern leider erst 30 Jahre nach Erkenntnis und Behebung des Fehlers. Und wurde auch die Erde davongetragen, so dauert es womöglich sogar 30 000 Jahre. Die Menschen glauben, man kann Fehler wie Fahrfehler im Auto mit sofortiger Wirkung korrigieren. Versucht das mal in einem Öltanker, oder wenn der Unfall durch den Fahrfehler bereits geschehen ist. Der Mensch kann Bäume nicht erzeugen.
Früher wurden solche Erkenntnisse in Sagen und Mythen und später in Religionen tradiert, und das Meiste gilt heute noch, auch wenn es für Wanderhirten und -bauern geschrieben wurde. Zum Beispiel war fast überall auf der Welt der Wucher verboten; nicht etwa aus moralischen Gründen, sondern aus praktischen: er bringt jedes Wirtschaftssystem zum erliegen. Und Wucher beginnt fast weltweit überall bei etwa 20%; das ist so die Grenze dessen, was aus einem System, bereits weit jenseits aller echten Rentabilität, gepreßt werden kann, bevor es abgewürgt wird. Und welche Rendite verlangten die Kapitalanleger wenige Wochen vor dem Zusammenbruch der Banken? 25%.
Als der sagenhafte Herkules vor 3000 Jahren die Hydra durch Niederbrennen des Waldes bekämpfte, sagte man damit, daß die Quellen im Tal nur dann im Sommer Wasser liefern, wenn die Wälder über ihnen nicht zu Holzkohle verarbeitet werden - und sperrte diese für die Öffentlichkeit, indem man sie dem Schreckens-Gott Pan widmete. Man wußte Bescheid... heute heißt ein solcher Wald "catchment-area" (Wassereinzugsgebiet) und wird zum Naturpark erklärt.
All das ist seit dem letzten Großen Krieg bekannt, wurde von dieser Versammlung in Rom veröffentlicht und von seltsamen grünen Parteien in Angriff genommen. Es ist fast schon langweilig. Vorsichtsmaßnahmen sind immer langweilig.
Eigentlich braucht heute jeder Mensch - möglichst früh in seinem Leben - nur drei Bücher gelesen zu haben: Schöne neue Welt von Aldous Huxley, Farm der Tiere und 1984 von George Orwell. In diesen drei schmalen Bänden ist die gesamte Welt der Moderne konzentriert, alles vor vielen Jahrzehnten niedergeschrieben. Und niemand liest sie. Ist ja auch unangenehm. In ihnen ist kein Optimismus weit und breit zu finden. Sicher, man kann sich nebenher auch noch mit Lloyd deMause und Lévi-Strauss amüsieren, Lem, Dickens, den Schwestern Brontë, Saint-Exupéry und und vielen Anderen mehr. Aber das sind Randerscheinungen. Früher las man dazu die Bibel oder andere religiöse Schriften, in denen die Regeln das Zusammenlebens beschrieben werden, zum Beispiel die Geschichte von dem Erstgeborenenrecht und Linsengericht; nur decken diese in Zeiten der Industrialisierung und Ölförderung nicht mehr alles Notwendige ab. Wenn die Menschen allerdings sich lieber mit Trivialitäten vollstopfen und blind durch's Leben taumeln wollen... dann dürfen sie sich eben nicht wundern. Tun sie dann aber doch. Oh Wunder.
Es gab einmal, im vorigen Jahrhundert, kurzzeitig eine wissenschaftliche Verbindung von Ökologie und "risk assessment"- Risiko-Abschätzung. Das wurde aber schnell wieder eingestellt bzw. nur noch leise und unter Ausschluß der Öffentlichkeit betrieben. Zuviel Negativität, zuviel Pessimismus. Statt dessen wurde öffentlich brüllend in den blinden Optimismus gerannt - alles, was nur irgendwie eine "Chance" auf irgend etwas zu bieten schien, mußte angenommen werden - und zwar von Gesetzes wegen. Daß "a game of chance" ein (von allen Religionen verbotenes) Glücksspiel bedeutet, wurde den blinden Optimisten erst klar, als sie anfingen vom "Kasino-Kapitalismus" und "Zockerei" zu reden - im Nachhinein, nachdem es schief gegangen war. Wer so eine Fluggesellschaft betreiben würde oder eine Ölplattform, oder auch nur Häuser bauen, hätte bald keine Kunden mehr. Sie wären tot. Das vorsichtige, ja ängstliche ("konservative") Abschätzen von Risiken und das Einbauen von doppelten Sicherungs-Mechanismen ("failsafe", versagenssicher) läßt Vierhundert-Tonnen-Flugzeuge sicher fliegen, die Golden Gate Brücke bis heute stehen, Menschen vom Mond zurückkommen, und was weiß ich was sonst noch alles. Es schadet nichts. Im Gegenteil. Es nützt. Es ermöglicht.
"Menschliches Versagen" ist es nämlich auch dann, wenn der Mensch ein versagendes Maschinenteil konstruiert hat.
Wer Fehler nicht erkennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen.
Oder so ähnlich.
Immerhin taucht das Wort "Überproduktion" inzwischen schon mal auf und das Lob auf das Zurückfahren derselben, inklusive Verringerung der täglichen Warenproduktion, um die Krise zu meistern. Allerdings so leise, daß diese Ansage im Internet, das doch sonst alles weiß, auch Tage später nirgendwo zu finden ist - Erinnerungen an 1929 werden wach. Ach, jahhh... damals war auch wirklich viel los.
Was einen als niederes Lebewesen doch sehr wundert: Eine erwartete Verringerung der Produktion um nur 5% hat in einem der reichsten Länder dieser Welt anscheinend katastrophale Folgen auf dem Finanzsektor... seltsam...
Die Menschen fürchten sich vor einer Rezession, vor 6% weniger. 6% weniger von was? Waren? Die können sie locker verkraften, vor allem wenn es die umlaufenden 6% an Killefit, Schund und Tinnef sind. Im Gegenteil: das hält die Lager sauber. Ach ja, die haben sie ja nicht mehr... Aber 6% weniger Inlandsflüge wären auch nicht zu verachten...
Nein, 6% weniger Geld in ihren Bilanzen, davor fürchten sie sich. Und zwar zu recht. Das verkraften sie nicht; diese Bilanzen sind darauf nicht eingerichtet. Sie sollten es aber schleunigst werden, da es von nun an mangels Öl jedes Jahr konstant 2% weniger Waren und Geld geben wird. Wenn alles gut geht.
Die Börsen, wie bereits gesagt, nehmen das nur vorweg. Die "Finanzkrise" ist nur der Ausdruck dessen, daß die Menschen es zwanzig Jahre lang versäumt haben, ihre Bilanzen auf die unausweichliche Rezession der wirtschaftlichen Leistung nach Peak Oil vorzubereiten und statt dessen, finanztechnisch gesehen, an der Spitze der Förderkurve vom eigenen Schwung getragen am Steuer verkrampft weiter gerade aus nach oben fahren zu wollen. Im Grunde genommen trat die eigentliche "Finanzkrise" bereits vor mindestens zwanzig Jahren ein (wie gesagt, die Börsen rechnet auf 30 Jahre voraus...), und der untaugliche Versuch zu ihrer Beherrschung war eine maßlose Aufblähung des Geldvolumens, um wenigstens die Illusion künftigen Wachstums aufrechtzuerhalten. Das Zurückstürzen auf den Boden der Tatsachen wird ihnen nun sehr weh tun.
Wuff.
Andererseits gibt es die in Zeiten immer knapper werdenden Öls ebenfalls geradezu alberne Ansicht, es gäbe weltweit eine Überproduktion von Solarmodulen. Die kann es unter diesen Umständen gar nicht geben... Die Begriffe der Finanzwelt beziehen sich eben wie immer auf eine Scheinwelt. Hier wäre eigentlich ein Investitionsbedarf ohne Ende. Ein Autobahnbau mit Sinn, mit realem ROI statt ein weiteres Instrument für den Energieverbrauch.
Nur: Wird die Wichtigkeit von Landfläche für Solarenergie die Welt re- feudalisieren, oder verhindert die notwendige Technisierung gerade dieses?
Fragen über Fragen.
Wuff.