Montag, 26. Oktober 2009

Krieg und Krise





Irgendwie erinnert mich die zur Zeit vor allem Nachts in den Medien laufende psychologisch vorbereitende Kriegspropaganda an frühere Zeiten... Und die Energiedebatte an den Völkerbund.

1939, als der Zweite Weltkrieg begann, hatte Deutschland 79 Millionen Einwohner, etwa so viel wie heute, aber auf größerem Raum; die USA 135, Rußland 160 und England 50.

1945 dann hätten nach Aussage des ehemaligen US- Präsidenten Hoover "die Hälfte aller Deutschen erschossen werden müssen", wenn die damaligen Pläne zur Zerstörung der Deutschen Wirtschaft durchgeführt worden wären.

Vermutlich war und ist Deutschland zu stark besiedelt, um sich von der Landwirtschaft alleine zu ernähren... jedenfalls ohne Öl oder andere Energieträger. Schließlich müssen Lebensmittel auch transportiert werden. Aber nicht nur: Die industrialisierte Landwirtschaft ist zum netto- Energie- Importeur geworden. Mindestens die Hälfte der Nahrung besteht inzwischen aus Erdöl, nicht mehr aus Sonnenenergie.



Hunger und Ernährung war und ist ein zentrales Thema von Kriegen; das sich gegenseitige Umbringen von Menschen, die vorher zu "überflüssigen Essern" deklariert werden, geschah ja ganz planmäßig. Die Alternative war ebenso planmäßiges verhungern lassen - und zwar von allen Seiten. Und in der Tat wurde es von deutscher Seite ja angekündigt als "Das größte Sterben seit dem Dreißigjährigen Krieg". Daß das unter dem Vorbehalt der Arbeit geschah, ist wohl allerdings als Propaganda zu werten: Verhungern lassen hätte man sie so oder so, auch nach getaner Arbeit, da ihre Arbeit ja die Menge an Nahrungsmitteln ja nicht erhöhte...

Der Vergleich mit dem Dreißigjährigen Krieg ist geopolitisch wichtig; so werden inzwischen I. und II. Weltkrieg 1914- 45 als "Zweiter dreißigjähriger Krieg" in Zentraleuropa beschrieben. Warum jeweils dreißig Jahre? Das ist eine Generation.



Was inzwischen vergessen wurde:

Noch bis zum I. und II. Weltkrieg waren die Länder Europas, welche die Stufe des Agrarstaates hinter sich gelassen hatten, Lebensmittel-Importeure, und das in entscheidendem Maße; so sehr, daß kriegerische Hungerblockaden wirksam waren. Jede kriegführende Partei versuchte die andere von der Zufuhr von außen abzuschneiden, mit Hilfe der jeweils eigenen Hochseeflotte gegen die Handelsschiffe des Gegners, durch Hafenblockaden etc.

Nur muß es dazu immer auch ein "Außen" geben: Vor dem Krieg importiert England 20 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr, während des Krieges nur noch 15 Millionen Tonnen - aber diese Zahlen sind unsicher; es können vor dem Krieg auch 55 Millionen Tonnen Lebensmittel gewesen sein.

Natürlich ging es dabei um die Verhinderung der Zufuhr von Rohstoffen generell, hauptsächlich aber um die Zufuhr von Nahrung. Auch die Expansion Japans in Südostasien diente der Nahrungszufuhr, und der Einsatz der amerikanischen Hochseeflotte dazu, diese zu beenden.

Deutschland litt im ersten, England und Japan litten im zweiten Weltkrieg Hunger. Sie hatten auf ihren Inseln wohl so schnell niemanden, den sie an ihrer Stelle verhungern lassen konnten... Übrigens hat bis heute kein muslimisches Land, möglicherweise sogar überhaupt gar kein Land der Südhalbkugel eine eigene, wirklich wirksame Hochseeflotte, die auch in fremden Gewässern operieren kann. Nahrung wird mit Schiffen importiert.



Nach dem II. Weltkrieg wurden, mit Hilfe der Kohle- und Erdöl- betriebenen Ammoniaksynthese (welche sowohl der Dünger- wie der Sprengstoffherstellung dient), die Ernten verdoppelt und verdreifacht, so daß die Erdöl- importierenden Industrieländer dieser Welt bemerkenswerterweise Nahrungsmittel- Exporteure geworden sind; nun funktioniert das Aushungern untereinander nicht mehr, es ist aber auch nicht mehr notwendig. Allerdings sind diese Gesellschaften nun nicht mehr vom Lebensmittel- Import vom Landbesitz in Kolonien, sondern vom Erdöl- Import abhängig.


Verbrauch an Nahrungsmittelenergie in Kalorien 1994-1996

Verbrauch an Nahrungsmittelenergie in Kalorien 1994-1996 (rot=wenig)


80% der Hungernden sind Bauern - eigentlich ein Widerspruch in sich. Aber aus Entwicklungsländern. Durch das Öl werden Nahrungsmittel auf dem Lande eher knapp als in der Stadt, und die Industrieländer exportieren mehr Nahrungsmittel als die Entwicklungsländer - eine völlige Verkehrung der Situation der Kolonialisierung. Als das Öl kam, brauchte Europa die Kolonien nicht mehr. Aber die ehemaligen Kolonien brauchen das Öl.


Verbrauch an allgemeiner Energie in Millionen kJ

Der Verbrauch an allgemeiner Energie in Millionen kJ (rot=wenig)


So lange diese Länder Erdöl importieren können, können sie Nahrungsmittel exportieren, da die Nahrungsmittel- Produktion inzwischen mehr vom Öl abhängt als von der Sonne. Tomaten und Zwiebeln aus dem Norden sind inzwischen billiger als aus dem Süden und machen reinen Agrarländern in deren eigenen Gebieten Konkurrenz. Aus den ehemaligen Agrarländern sind teilweise Hungergebiete geworden.

Und das Öl wird jetzt langsam knapp... Was das bedeutet, kann übrigens jeder ermessen, der einmal versucht hat, Hochleistungssorten ohne Kunstdünger zu ziehen. Ohne ständige Energiezufuhr ist jedoch eine derart dichte Besiedlung, wie sie an einigen Punkten der Erde zur Zeit herrscht, weiterhin wohl nicht möglich.

Prä- apokalyptische Zustände zeichnen sich durch Stagnation, Ersticken und prekäre Ruhe aus- die "Ruhe vor dem Sturm". Thermodynamisch gesehen gleichen sich Quelle und Senke an, der Wärmetod tritt ein. Nicht nur ersticken die Menschen a ihrem Überflüssigen und/oder ihrem Müll, sondern sie versuchen sich dem durch verzweifeltes Steigern der Zustände und künstliches Differenzieren zu entziehen. Geistig drückt sich das aus durch Lautstärke, eine gestelzte Sprache etc.- in jedweder Übertreibung. Mangel-Gesellschaften können sich Übertreibung gar nicht leisten.

Wuff.